Heinz kommt heim
Wer Heinz Stücke im Örtchen Hövelhof besucht, findet ihn in einem 1970er-Jahre Bungalow. Der steht in der Nähe des Hallenbads, die Haustür ist angelehnt und auf einer Kommode liegt ein Zettel. Darin bittet der Weltenbummler – wegen der Corona-Pandemie – »um drei Meter Abstand und das Tragen einer Maske.« Während man den Brief studiert, steht Stücke ein paar Meter entfernt angelehnt am Rollator. Grund für die Zurückhaltung: »Ich bin sehr empfindlich, wenn es um Erkältungen geht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jeden Schnupfen bekomme, den es so gibt«, sagt er. Er bittet ins Wohnzimmer und wendet dafür sein Gefährt behände in den größten Raum des Hauses. Dort hängen an den Wänden Dutzende von DIN-A3 und DIN-A4 Bildern seiner Lebensreise, die über ein halbes Jahrhundert dauerte. In einer Ecke stehen schulterhohe, graue Stahlschränke, randvoll mit 100 000 Dias, die der Ostwestfale auf der Tour machte. Dann gibt es da noch etwa 16 000 Seiten Tagebucheinträge. Die wichtigste Frage lautet: Wie nähert man sich dieser Radlegende – die es anders machte, als fast alle Menschen? Ein Bürger, der »alles sehen wollte«, wie er sagt? Einem, der seinen Lebenssinn während der Fahrt erkannte? Heinz Helfgen und Karl May Beginnen wir von vorn: Heinz Stücke gondelte in 52 Jahren unfassbare 648 000 Kilometer mit einem Dreigang-Rad um die Welt. Doch weshalb? »In meiner Kindheit und Jugend habe ich viele Reise- und Abenteuerromane gelesen. Dazu gehörten die Geschichten von Heinz Helfgen, dem globalen Fahrradabenteurer und Karl May. Doch ich saß in der ostwestfälischen Provinz und in ferne Länder zu reisen, war undenkbar. « Heinz, der laut Pass eigentlich »Heinrich« heißt, ließ sich nach der Schulzeit zum Werkzeugmacher ausbilden und spielte im örtlichen Fußballverein »vorn links im Sturm.« Er kauft sich ein Fahrrad eines lokalen Produzenten und fährt damit in den Ferien immer weiter, sogar bis nach Italien und zurück. Die Sache gefällt ihm und am 5. November 1962 sattelt er auf – und fährt los. Es wird bis ins Jahr 2001 dauern, bis Heinz Stücke wieder den Boden der Bundesrepublik betritt. Auslöser ist damals ein Auftritt in der Sendung »stern TV« mit Günther Jauch. Dafür bekommt er 7000 DM. Doch das wäre eine andere Geschichte. Stücke will anfangs nur bis nach Japan zu den »Olympischen Spielen« fahren. Die finden im Sommer 1964 in Tokio statt. Doch der Plan misslingt. Heute erinnert sich der Weitgereiste so an seinen Start: »Erst war ich auf der Hast und wollte schnell alles besuchen. Ich nahm mir nicht die Zeit, um ein Land intensiv zu sehen.« Dies ändert sich erst peu à peu, später bleibt er für zwei bis sechs Monate in einem Staat. Seiner Hövelhover Familie erzählt er stets dieselbe Geschichte. »Ihr Lieben, ich komme in einem Jahr wieder!« Doch dazu kommt es nicht, denn Sohn Heinz fährt einfach immer weiter, etwa 19 000 Tage ist er unterwegs.
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