Ranga Yogeshwar über seinen ersten Enkel
Er ist ein gefragter Wissenschaftsjournalist, Autor und Moderator: Ranga Yogeshwar. Seit einem Jahr ist er stolzer Opa. Sein erster Enkel heißt Emil Theodor. Das Oma-Magazin sprach mit Ranga Yogeshwar über Corona und darüber, wie Emils Welt in der Zukunft aussieht. Einen Teil des Interviews lesen Sie an dieser Stelle – den weiteren im aktuellen Oma-Magazin, das ab sofort überall im Handel zu haben ist.
Oma-Magazin: Wie wird Emils Welt in der Zukunft aussehen?
Ranga Yogeshwar: Emil wurde im Januar 2020 geboren. Die Chancen stehen gut, dass er das 22te Jahrhundert erleben wird. Damit konkretisiert sich Zukunft. Emils Generation wächst mit allerlei neuen Selbstverständlichkeiten auf: sprechenden Apparaten, künstlicher Intelligenz, einer neuen Medizin, aber auch Veränderungen im gesellschaftlichen Miteinander, neuen Machtzentren und womöglich einer tiefgreifenden Neuausrichtung wirtschaftlicher Ziele. Seine Welt ist anders als das „business as usual“ meiner Generation. Emils Welt wird das Ergebnis einer globalen Transformation sein. Und – so meine Hoffnung – seine Welt wird am Ende eine bessere sein.
Sie beschäftigen sich als Wissenschaftsjournalist intensiv mit Covid-19. Worin liegt für Sie die Herausforderung?
Ranga Yogeshwar: Das neue Virus hat zu einer Pandemie geführt, die mit erheblichen Einschränkungen des Lebens einhergeht. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, in diesem Spannungsfeld auf der Basis von Ungewissheit dennoch Entscheidungen zu treffen. Und das ist schwierig.
Corona hat die Welt und damit das Leben drastisch verändert. Alle sehnen sich nach ein wenig Normalität. Wird es diese in absehbarer Zeit – konkret im Laufe dieses Jahres – geben?
Meine persönliche Prognose ist, dass es bis in den Herbst oder bis Ende des Jahres dauern wird. Solange, bis alle, die geimpft werden wollen, geimpft sind. Das ist das optimistische Modell. Häufig ist der Begriff „Krieg gegen das Virus“ zu hören. Im Krieg gibt es manchmal einen Stichtag, an dem Frieden herrscht. Keine Bomben fallen, keine Menschen sterben etc. Bei diesem Virus werden wir keinen besonderen Tag erleben. Im besten Fall werden wir – wenn die Impfungen fortschreiten – im Frühjahr/Sommer eine Reduktion der Toten und vertretbare Inzidenzzahlen registrieren. Die spannende Frage ist, was passiert mit den neuen Varianten, den Mutanten. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir vieles nicht genau wissen.
Die Impfungen wecken Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Diese Hoffnung ist in Zeiten der Ungewissheit schwer zu spielen. Natürlich würde ich gerne sagen, wenn die Impfung durch ist, haben wir das Virus von der Backe. Doch nach den bisherigen Studienverläufen wissen wir noch nicht, inwieweit der Immunisierungsschutz bei Geimpften vorhält und ob das für mögliche Varianten ebenfalls gilt. Es gibt einfach viele Fragezeichen. Im besten Fall der Fälle haben wir den Schutz langanhaltend – aber wir wissen es nicht.
Lassen Sie sich impfen und raten Sie generell dazu?
Ich werde mich impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin. Und das dauert (mit Blick auf die Verzögerungen) noch. Ich rate generell zur Impfung. Denn Corona ist ein echtes Risiko. Wir verlieren pro Tag mehrere hundert Menschen. Und das sind nicht nur ältere Menschen. Es gibt jüngere Menschen, die nach einer Covid-19-Erkrankung sehr ernsthafte Konsequenzen spüren. Wenn ich dieses Risiko dem Risiko einer Impfung entgegensetze, dann komme ich als aufgeklärter Mensch relativ schnell zu der Erkenntnis, dass eine Impfung durchaus Sinn macht. Das Problem des Impfens per se ist ein natürlich gewachsenes. Und zwar auf der Basis der Impfungen gegen Kinderkrankheiten wie Masern. Da impfen wir als Prävention gegen Krankheiten, die wir kaum noch sehen. Und genau darin liegt für viele das Problem. Ich nenne ein Beispiel: In meiner Kindheit, die ich in Indien verlebte, konnte man auf der Straße sofort sehen, was passiert, wenn man sich nicht gegen Polio (Kinderlähmung) impfen läßt. Heute sagen viele, warum soll ich mich impfen lassen? Ich sehe ja keinen, der Corona hat. Und genau das ist der trügerische Schluß.
Es ist immer wieder zu hören, dass sich einige aus Angst vor Nebenwirkungen nicht impfen lassen wollen – und damit meine ich nicht die notorischen Impfgegner und Corona-Leugner. Sind die Sorgen berechtigt?
Die Skepsis vor einem neuen Impfstoff kann ich durchaus nachvollziehen. Ich finde, dass man diese Menschen nicht sofort verurteilen, sondern ihnen zuhören muss. Ein interessantes Phänomen dabei ist, dass Halbwissen die Sorgen größer macht, als Ignoranz oder eine fundierte Kompetenz. Es gibt wie bei jeder Impfung Risiken, die momentan nicht dominant auftauchen. Wenn man verstanden hat, dass diese Impfstoffe im Vorfeld zwar schnell, aber ordentlich getestet wurden, kann man die Skeptiker glaube ich überzeugen. Weltweit werden pro Tag über eine Million Menschen geimpft. Und wenn es ein systematisches Problem gäbe, dann hätten wir alle davon gelesen.
Die zweite Sorge ist die vor Nebenwirkungen, die immer ein gewisses Risiko darstellen. Hier muss man klar sagen, dass unser Leben – Ihres und meines – nie risikofrei ist. Beispielsweise fährt jedes Mal, wenn wir uns in ein Auto setzen, ein Risiko mit, das wir nicht lebend ankommen. Wir wünschen uns natürlich eine Welt wo es kein Risiko gibt, doch das ist eine Illusion. Wenn wir diese Tatsache annehmen, dann verstehen wir, dass unsere Freiheit in der Risikoabwägung besteht und das machen wir ständig im Alltag, wenn wir Auto fahren, im Meer baden oder uns in ein Flugzeug setzen. Es geht also darum auch hier trotz des verbleibenden Restrisikos die Vorteile der Impfung zu erkennen.
Erst Lockdown light, dann Verschärfung. Hätten Sie sich einen härteren und früheren Lockdown gewünscht?
Die Politik muss ganz andere Faktoren berücksichtigen als die Wissenschaft. Als Virologe hätte man sehr früh für einen sofortigen Shutdown plädieren müssen, damit das Virus keine Chance hat, sich zu verbreiten. So wie es die Initiative „ZeroCovid“ fordert, die dafür plädiert, das alles soweit abzudämpfen, dass wir nicht mehr vom Virus getrieben werden. Bei diesem Thema ist es immer leicht, zu kritisieren, aber ich möchte an der Stelle denjenigen sehen, der es objektiv besser macht.
Sind die Corona-Maßnahmen einleuchtend von der Politik kommuniziert worden?
Die Kommunikation ist an einigen Stellen nicht gut. Bei Reisen gibt es ein völliges Kuddelmuddel durch die Frage was gilt wo. Bei Restaurant- und Friseurbesuchen gab es eine Zettelwirtschaft. Ich frage mich, warum gibt es dafür nicht eine App. Ich habe bereits früh angemerkt, dass wir gerade bei der Digitalisierung die Chance hätten, es besser zu machen. Im internationalen Vergleich mangelt es an einigen Stellen durchaus. Das zeigt sich beim Homeschooling und darin, dass die Gesundheitsämter immer noch bundesweit mit fünf verschiedenen Softwares operieren oder die offensichtliche Schwäche bei der Impfanmeldung. Da würde ich mir wünschen, dass man in der langen Zeit eine Vereinheitlichung hinbekommen hätte. Meldeverfahren, Testverfahren, Kommunikationsstruktur – das alles könnte man flotter, digitaler und effektiver gestalten.
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